Heilung von beiderlei Glück - Francesco Petrarca

2.20. Von entführter Ehefrau

Schmerz: Meine Ehefrau wurde mir entführt.

Vernunft: Ich gebe zu, daß alle Gewalt ärgerlich ist für den, der sie erleiden muß. Aber wenn ich die Sache an sich betrachte, dann muß ich fragen, warum du darunter leidest? Wenn deine Frau wirklich so lästig war, ist dann ihr Verlust keine Befreiung von einer großen Last?

Schmerz: Mein Ehepartner wurde entführt!

Vernunft: Wenn jemand bezahlt wird, der die Leiden des Körpers heilt, was gebührt dann demjenigen, der die Angst und Sorgen des Geistes lindert? Heilt der Arzt dich vom Dreitagesfieber, dann bist du dankbar und zahlst sein Honorar. Was solltest du also dem geben, der dich von einem Dauerfieber geheilt hat?

Schmerz: Meine Frau wurde aber entführt.

Vernunft: Du weißt nicht, wieviel du dem Entführer zu verdanken hast! Große Probleme und endloser Streit haben dein Haus mit deiner Frau verlassen, und vielleicht sogar ernste Gefahren. Denn viele sind schon umgekommen, die noch am Leben wären, wenn sie ihre Ehefrau verloren hätten, sei es durch ihre Entführung oder durch andere Umstände. Denn unter allen Schwierigkeiten in diesem Leben gibt es wohl nichts Schlimmeres als den häuslichen Streit.

Schmerz: Meine Frau wurde entführt und ist nun fort.

Vernunft: Wenn sie dazu wirklich gezwungen wurde, dann vergib ihr (alle Schuld). Wenn sie aber freiwillig mitging, dann trifft sie doppelte Rache. Denn als Ehebrecherin ging sie mit ihrem Entführer, und so hat er jetzt dieses Gift in seinem Haus, das sonst deines infiziert hätte. Denn was kann dieser Entführer von ihr erwarten, nach dem, was sie ihrem Ehemann angetan hat?

Schmerz: Meine Frau ging bereitwillig mit ihrem Entführer.

Vernunft: Dann warte einfach eine Weile. Es wird nicht lange dauern, bis auch er es satt hat, was du beklagst. Wenn die Menschen besser nachdenken würden, bevor sie ein Verbrechen begehen, würden sie weniger schnell sündigen. Erst brennen sie vor Verlangen, aber später bereuen sie es schmerzlich. Der Mensch erkennt wohl alles erst im nachhinein. Und so sind auch deine Augen am Rücken und dein Gesicht ist blind!

Schmerz: Aber meine Ehefrau wurde mir weggenommen!

Vernunft: Nicht einmal Könige entkommen diesem Unrecht. Masinissa nahm die Frau von Syphax, Herodes die von Philip.

Schmerz: Mein Ehepartner wurde mir entführt!

Vernunft: Was dir einmal passiert ist, hat Menelaos sogar zweimal getroffen.

Petrarcameister - Von entführter Ehefrau

Diesmal verlegt der Petrarca-Meister seine Darstellung in die Kreise des Adels und läßt den Geist Petrarcas im Bild herrschen. Von der Burg im Hintergrund ist die Entführung der Frau geschehen, nun reitet der Verführer triumphierend mit seiner Beute in den Wald hinein. Die beiden Reiter im Vordergrund, ein Herr und sein Knecht, reiten gelassen im Schritt und nehmen von der Entführung keine Notiz. Sie handeln ganz so, wie es Petrarcas Vernunft gebietet, die den Entführer noch belohnt sehen möchte: „Heilt der Arzt dich vom Dreitagesfieber, dann bist du dankbar und zahlst sein Honorar. Was wirst du also dem geben, der dich von einem Dauerfieber geheilt hat?“ Es wird richtig sein, daß der Künstler die Szene unter Adeligen spielen läßt. Der Tatbestand der Entführung wäre in Bürger- oder Handwerkerkreisen im 16. Jahrhundert in Deutschland kaum möglich gewesen, da Menschen dieser Stände keinen Zufluchtsort außerhalb der Stadt, in die sie gehörten, gehabt hätten.

Soweit schreibt Walther Scheidig. Aus geistiger Sicht können wir hier das Ichbewußtsein mit seinem stolzen Federhut erkennen, wie es auf seinem wilden Tierwesen davongaloppiert und voller Begierde die Natur als Eigentum für sich ergreifen will. Dabei schwingt es seinen Arm im Triumph wie ein Sieger, aber reitet selbst in die Tiefen der Natur, in die Dunkelheit des Waldes, in die geistige Verdunklung bzw. Unwissenheit und damit in sein eigenes Leiden. Dagegen könnte man im Vordergrund die Vernunft mit dem Siegerkranz auf dem wohlgezügelten Tier erkennen, welche die Macht hat, Begierde, Haß und Unwissenheit zu überwinden. Sie hält den Speer in der Hand, aber gebraucht ihn nicht, denn neben ihr reitet der ebenfalls gezügelte Verstand als Knecht. So erkennt die Vernunft die Illusion des Ichbewußtseins und schaut gelassen zu, wie es etwas ergreifen und festhalten will, was es weder behalten noch verlieren kann. Denn diese Vorstellung von „Eigentum“ oder „Eigenschaft“ ist nun einmal eine Illusion des Ichbewußtseins. Dazu sieht man auch im Hintergrund die dazugehörige Ego-Burg, wie sie alles überragen will und ringsherum ihre Mauern zieht, um seine Illusionsblase zu beschützen. Dabei ist das ganze Bild eine ganzheitliche Geist-Natur, die ringsherum wächst, blüht und grünt und sich mehr oder weniger selbst bewußt ist.

2.21. Von untreuer Ehefrau

Schmerz: Ich habe eine unkeusche Ehefrau zu Hause.

Vernunft: Es wäre besser, wenn sie entführt worden oder auch lästig und gemein wäre, als lüstern und unzüchtig. Wer jedoch von beständigem Willen und großem Geist ist und das Vergängliche nicht begehrt, der kann alles ertragen. Unzählig sind die Leiden der Menschen, doch ihnen kann nur durch Tugend begegnet werden.

Schmerz: Meine Frau war wirklich untreu.

Vernunft: Übergroße Reinheit hat schon manche Frauen überheblich stolz gemacht. Denn wer sich keiner Schuld bewußt ist, der fürchtet auch nichts. Die Schuld deiner Frau kann also etwas Gutes haben, so daß sie weniger lästig und überheblich wird. Denn ein schlechtes Gewissen schwächt den überheblichen Stolz einer Frau, und wenn sie sich schamvoll an ihre Unreinheit erinnert, dann ist sie ihrem Ehemann oft viel treuer als andere.

Schmerz: Meine Frau ist aber lüstern.

Vernunft: Was nicht überrascht, wenn sie hübsch ist, und kein Grund zur Sorge, wenn sie häßlich ist.

Schmerz: Meine Frau ist immer wieder untreu.

Vernunft: Wenn ein Mann eine schöne Frau heiratet, sollte er sich diesen Vers des satirischen Dichters ins Gedächtnis rufen: „Selten kommen große Tugend und große Schönheit zusammen.“ Wenn sie wirklich so untreu ist, solltest du wenigstens froh sein, einen Scheidungsgrund zu haben.

Schmerz: Meine Frau hat Ehebruch begangen.

Vernunft: Ehebruch geschieht oft durch die übergroße Leidenschaft des Ehemannes und ist eine Strafe für den Ehebruch, den er anderen zugefügt hat, und um so gerechter, wenn es mehrfach geschah. So denke darüber nach, ob du einem anderen das angetan hast, was dir jetzt verdientermaßen in gleicher Weise geschieht. Dann wäre es ungehörig und unverschämt, sich darüber zu beklagen, daß man das erleiden muß, was man anderen angetan hat. Das moralische Gesetz gebietet dir, von einem anderen zu erwarten, was du jemandem angetan hast. Die heilige Regel „Behandle andere, wie du selbst behandelt werden möchtest!“, wird überall in der Welt geschätzt, so daß selbst die Heiden diesen Grundsatz anerkennen und seine Gerechtigkeit loben. Aber die Kühnheit der menschlichen Unverschämtheit versucht, alle heilsamen Regeln aufzuheben und verkehrt alles Richtige und Falsche. Und so lassen oft Ehebrecher, die das Bett und die Ehe ihres Nachbarn beschmutzt haben, ihre eigenen Frauen nicht in die Öffentlichkeit und werden wütend, wenn ein Mann sie nur ansieht. So streng sind sie gegen andere, und so nachsichtig mit sich selbst. Ja, so ein ungerechter Richter ist jeder einzelne von euch!

Schmerz: Sie hat aber die eheliche Treue gebrochen.

Vernunft: Dann sorge dafür, daß du deine eigene Treue nicht brichst, nicht nur bezüglich anderer Ehepaare, sondern auch zu deiner Frau: Denn es gibt solche, die von ihren Frauen verlangen, was sie von sich selbst nicht verlangen, und ihre eigenen Ausschweifungen unter dem Vorwand entschuldigen, gesellig zu sein, die sie bei anderen als schwerstes Vergehen streng tadeln. Was sie sich erlauben, verweigern sie anderen: Das sind ungerechte Richter, die über Keuschheit urteilen, aber selbst unkeusch sind und ungestraft tun, was sie wollen, und sich in ungezügelter Lust suhlen, als stünden sie über den Gesetzen. Aber wenn ihre Ehefrau einen anderen nur ein wenig anblickt, macht sie sich gleich des Ehebruchs schuldig, als ob du ihr Eigentümer und nicht ihr Ehemann wärst, und diese Frau nicht deine Gefährtin im Haus Gottes und der Menschen, sondern eine vom Feind gefangengenommene Sklavin oder für Geld erkauft, so daß dir deine Frau mehr an Dienst und Treue schulde als du ihr. In der Ehe sollten gleiche Pflichten herrschen, sowohl in Bezug auf Liebe als auch Treue. Ich entschuldige die Ehefrauen nicht, aber ich beschuldige ihre Männer und weise ihnen den größten Teil der Schuld zu. Denn oft genug war der Mann das Vorbild für lüsternes Verhalten, und so begann das Übel dort, wo das Heilmittel sein sollte, ungeachtet der Tatsache, daß Bescheidenheit für Frauen angemessener ist, während der Mann mehr Besonnenheit und Standhaftigkeit besitzen sollte. So ist alle Torheit und Leichtsinnigkeit des Geistes bei einem Mann viel verabscheuungswürdiger als bei einer Frau, denn der Mann sollte mehr Ernst und Würde haben.

Schmerz: Ich bin sehr verletzt durch den Ehebruch meiner Frau.

Vernunft: Ein weitverbreitetes Leiden und eine uralte Verletzung. In der Tat ist die Ehe kaum häufiger als der Ehebruch, der schließlich, wie man sagt, weder erlaubt noch verboten werden kann, weil die Ehrlichkeit das eine und die Begierde das andere verbietet. Erwartest du unter diesen Umständen immer noch, daß eine Frau ganz dir und nur dir gehören kann, eine Leistung, die nicht einmal die größten Tyrannen und Könige deiner Zeit oder auch vergangener Zeitalter erreichen konnten? Ich werde hier auf Beispiele aus der heutigen Zeit verzichten, damit ich niemanden beleidige, der noch lebt, und es ist auch sicherer, Hercules zu kritisieren als irgendeinen ländlichen Bauern. Ich werde auch nicht auf all jene Beispiele aus der alten Geschichte eingehen, um wenigstens die guten Namen einiger der tapfersten und edelsten Herren zu bewahren. Du kennst sie gut, also halte deine Tränen zurück und schweige, und schaue dich in deiner Stadt um, betrachte deine Nachbarschaft, und du wirst überall Männer finden, die entweder den Verlust der Zuneigung oder die Entweihung des Ehebetts beklagen oder vom gemeinen Volk ausgelacht werden, weil sie die einzigen in der Stadt sind, die noch nicht wissen, daß sie betrogen wurden.

Dies sind alltägliche Dinge, die man mit eigenen Ohren hören und eigenen Augen sehen kann und auf der ganzen Welt passieren. Aber in einigen der wichtigsten Beispiele gibt es auch großen Trost. Denke an die Könige und Herrscher der Nationen, die du selbst gesehen hast. Denke dann an diejenigen, über die du gelesen oder gehört hast, und du wirst dich an die Legende von König Artus und einigen anderen erinnern, wie an die Geschichten von Philipp und seiner Frau Olympias, von Ptolemäus und Kleopatra, von Agamemnon und Klytaimnestra, von Menelaos und Helena, von Minos und Pasiphae oder von Theseus und Phaedra. Du solltest auch nicht glauben, daß Rom, das in alten Zeiten als ein wahrer Tempel der Keuschheit galt, frei von diesem Übel war. Auch Metella, die Frau von Sulla, kommt mir in den Sinn. Ich glaube, wenn er von ihrer Hurerei gewußt hätte, die nicht nur in Rom, sondern in ganz Italien Gesprächsthema war und über die auch in Athen und ganz Griechenland getratscht wurde, hätte er vielleicht nicht den Nachnamen Felix, der „Glückliche“, angenommen, was diesbezüglich sicherlich nicht zu ihm paßte. So denke auch an Julia, die Frau von Agrippa, die durch die Redlichkeit ihres Mannes und die Majestät ihres Vaters von jedem Verbrechen hätte abgehalten werden sollen, und auch an ihre Tochter, die ihrem Namen und ihrer Wollust nach ihrer Mutter glich, und an Julia, die Frau von Severus, die sowohl in ihrem Leben als auch in ihrem Vermögen in die Fußstapfen dieser beiden trat - kein sehr glückliches Beispiel für Keuschheit. Und was war mit Domitians Ehefrau Domitia, oder mit Urgulanilla, der Frau von Claudius? Er war ein Kaiser, der mit Huren als Ehefrauen gekrönt war, dessen Messalina, um diesen monströsen Schandfleck auf dem römischen Imperium zu nennen, ihren tölpelhaften Ehemann und das kaiserliche Bett entehrte, um in den Bordellen herumzuhängen und die ganze Nacht zu tun, was hier der Anstand zu beschreiben verbietet. Doch warum sollte ich sie und viele andere hier aufzählen, wenn alle Bordelle der Welt diese Huren der Kaiser nicht aufnehmen könnten? Ich denke, sie alle zu erwähnen ist weder ehrenhaft, noch verhindert es das Verbrechen des Ehebruchs, sondern fördert es eher. Es kann aber auch ein gewisser Trost sein, bei anderen die eigenen Leiden zu sehen. Nicht, daß sich irgend jemand, außer einem Böswilligen, am Elend eines anderen ergötzen sollte! Doch vielleicht kann ein Mann mit weniger Vermögen damit geduldiger ertragen, was so vielen großen Herren dieser Welt widerfahren ist, und was er sonst aus Schwäche oder Stolz nicht ertragen könnte. Jeder muß wohl sein eigenes Schicksal erleiden, aber es ist einfacher, wenn man weiß, daß es auch die größten Persönlichkeiten, die am meisten beneidet werden, nicht weniger trifft als den kleinen Mann.

In ähnlicher Weise sieht man nicht nur verheiratete Frauen in dieses Übel verfallen, sondern sogar Jungfrauen, die mit Gott verlobt sind, was besonders beschämend ist, daß ihr unglücklicher und betörter Geist nicht einmal von der Ehrfurcht vor dem göttlichen Bräutigam zurückgehalten wird. Wer wäre also sicher vor dieser ungezügelten und rasenden Wollust, die nicht einmal vor dem Himmel zurückschreckt und Gottes Vergeltung fürchtet? Wen wird sie verschonen, wenn sie sogar die gottgeweihten Leiber ergreifen kann? Solche monströsen Abscheulichkeiten des Fleischeswahns sind nicht erst in unserem Zeitalter zu erkennen - obwohl ich mir ehrlich gesagt kein verdorbeneres Zeitalter vorstellen kann, ein Zeitalter, das den höchsten Zorn verdient -, denn sie ereigneten sich sogar damals, als solche Laster noch selten waren, wie heutzutage die Tugend selten ist, und strenge Strafen verhängt wurden. Die vestalischen Jungfrauen, deren tadellose Tugend sogar das Tribunal und die Zensur voller Ehrerbietung anerkannten, die in den Wagen der Triumphzüge fuhren, damit niemand die Feierlichkeiten störte, die, wie wir wissen, jeden Verbrecher vor Bestrafung bewahren konnten, der ihnen begegnete, die durch die reine Erhabenheit ihrer keuschen Jungfräulichkeit Gesetze abschaffen und Todesurteile aufheben konnten, andererseits aber nicht nur für eine beleidigende Handlung, sondern auch für unziemliche Kleidung oder Sprache streng bestraft und gezüchtigt wurden - selbst von ihnen vergaßen einige ihre Ehre und jungfräuliche Reinheit und wurden, wie die Geschichte berichtet, des entsetzlichen Verbrechens des blasphemischen Inzests überführt und lebendig begraben.

(Unter Cäsars Herrschaft strahlt ihr nun wieder hell, ihr heiligen Flammen. So, wie das Feuer jetzt ist, wird es auf den ilischen Herden immer weiter brennen, und unter seiner Herrschaft wird es niemals kundig werden, daß eine Priesterin (der Vesta) ihr heiliges Band besudelte und in lebendigem Grund begraben wurde. Denn dies ist das Schicksal der Unfrommen. Sie wird der Erde übergeben, die sie verunreinigte, denn Erde und Vesta sind ein und dieselbe Göttin. (Ovid, Fasti, VI))

Nachdem du nun mit so vielen Beispielen bedeutender und sogar heiliger Menschen vom allgemeinen Verfall der Moral und dem Verlust der Reinheit überschwemmt wurdest, willst du nun fortfahren und weiterhin die Befleckung deines kleinen Schlafgemachs beklagen?!

Schmerz: Meine Frau hat aber Ehebruch begangen.

Vernunft: Im Leben etlicher Männer hat dies eine Wende zum Besseren bewirkt. Befreit von den Fesseln der Ehe und befreit von einer schweren Last, begannen sie nach Höherem zu streben. Was hält dich davon ab, den Ehebruch deiner Frau zum ersten Schritt in ein freieres Leben zu machen? Lasten oder Begleiter verlangsamen auch den schnellsten Schritt. Allein und ohne Last wirst du schneller gehen, wohin immer du willst.

Schmerz: Ich bin entehrt von der Unzucht meiner Frau.

Vernunft: Die Unzucht eines anderen kann zu Verlust und Leid führen, aber nicht zu deiner Entehrung, genauso wie die Tugend eines anderen dir zwar Freude, aber keinen Verdienst bringen kann. Nur deine Tugend oder dein eigenes Laster macht dich ehrenhaft oder sündhaft!

Schmerz: Ich verbrenne durch die Schande meines Ehepartners.

Vernunft: Du kannst schweigen, weglaufen oder dich rächen. Der mittlere Weg wurde von jenem heiligen Mann gewählt, der für seine Einfältigkeit berühmt war*. Und ehrlich gesagt ist der erste Weg zu weich und der dritte zu hart. Den Mittelweg zu wählen scheint ehrlich und menschlich zu sein, auch passend für den gewöhnlichen Menschen. Es ist vergebens, Regeln für die Großen und Mächtigen vorzuschlagen, denn Eigenwilligkeit, Lust, Zorn und Leidenschaft sind die Regeln von Macht und Arroganz. Diese Leute denken, daß jede Wunde mit Stahl geheilt werden muß, und doch gibt es viele Verletzungen, die keine Klinge, sondern einen Balsam brauchen.

(* vermutlich St. Paulus: Wie Paulus Simplex, dem sein Verhalten diesen Beinamen »der Einfältige« eintrug, sein ehebrecherisches Weib verließ und die Einsamkeit suchte, wo er der Nähe und Gnade Christi so sehr teilhaftig wurde, daß er mit dem reinsten und wirksamsten Gebet den Fürsten der unreinen Geister, den selbst Antonius nach eigenem Geständnis nicht von sich hatte fernhalten können, aus der Seele eines Besessenen vertrieb. (Das einsame Leben, Francesco Petrarca, Friederike Hausmann, 2004, S129))

Schmerz: Meine Frau ist so unverschämt.

Vernunft: Wenn du dich entscheidest, dies zu ertragen, werden vielleicht Mühsal, Kinder, Krankheit und Not ihre Gewohnheit ändern. So könnte auch die Scham zurückkehren.

Schmerz: Meine schamlose Frau hat mich verlassen.

Vernunft: Dann bete, daß sie nicht zurückkommt, denn es ist zu spät zu beten, daß sie nicht weggeht.

Schmerz: Meine Frau ist mit dem Ehebrecher fortgegangen.

Vernunft: Wäre es dir lieber, sie hätte ihn in deine Kammer gebracht? Zumindest hatte die Unverschämte Scham genug, ihr treuloses Leben woanders zu verbringen, und nicht vor deinen Augen, und schämte sich vor deiner Anwesenheit. Du solltest ihre Unreinheit anklagen, aber nicht ihre Flucht.

Schmerz: Meine lüsterne Frau ist weg.

Vernunft: Wenn dir das leid tut, dann hättest du verdient, daß sie geblieben wäre, und verdienst sogar, daß sie zurückkommt!

Petrarcameister - Von untreuer Ehefrau

Auch den heimlichen Ehebruch, den der Schmerz beklagt „Ich habe eine unkeusche Ehefrau zu Hause“, verlegt der Petrarca-Meister in ein Haus des Patriziats oder Adels. Der betrogene Ehemann, der draußen vor dem Fenster ausreitet, kennzeichnet den Stand ebenso wie der stutzerhaft gekleidete Liebhaber. Bei der untreuen Frau mit ihrer dümmlichen Physiognomie läßt sich nicht ausmachen, was sie in ihrer linken Hand hält. Im übrigen erklärt sich die Darstellung von selbst.

Soweit schreibt Walther Scheidig. Aus geistiger Sicht können wir hier sehen, wie die Vernunft davonreitet und das Ichbewußtsein ins Haus kommt. Das Bett als ein Symbol für die Ruhe und den Rückzug aus der äußeren Welt in die innere könnte wirklich ein stiller Ort sein, wo die reine Vereinigung zwischen Geist und Natur geschehen könnte, wenn wir nicht von Träumen ergriffen würden oder ganz in den unbewußten Schlaf fielen. Deshalb hat auch das stolze Ichbewußtsein mit dem Federhut keine Chance, dieses große Ziel der Vereinigung zu erreichen, weil es ein trennendes Bewußtsein ist, das dieses Ruhebett nur zu einem Ort der unersättlichen Begierde und Wollust mit entsprechenden Folgen machen kann oder in die Unbewußtheit fällt. Nun, was bleibt der mütterlichen Natur anderes übrig, als dieses Spiel mitzuspielen, aber sie hält bereits versteckt den Becher des Leidens in der Hand, denn nur so kann das Bewußtsein erwachen und die Vernunft als König ins Haus zurückkehren. So schauen sich nun Natur und Geist herausfordernd und stolz an, und man könnte meinen, der junge Geist hat schon eine leichte Ahnung, was auf ihn zukommt. Dazu sieht man im Hintergrund auch das oft verwendete Symbol: „Spieglein, Spieglein an der Wand…“ Denn Bewußtsein ist nichts anderes als ein Spiegeln zwischen Geist und Natur, Subjekt und Objekt oder Betrachter und Betrachtetem. Deshalb gibt es auch keine Mehrzahl von „Bewußtsein“, sondern nur ein Bewußtsein, daß sich in vielfältigen Formen spiegelt, und nach diesen Formen greifen die Begierde und der Haß durch die Macht der Unwissenheit.

2.22. Von unfruchtbarer Ehefrau

Schmerz: Ich habe eine unfruchtbare Ehefrau.

Vernunft: Unfruchtbarkeit ist auch ein Heilmittel gegen die Probleme einer Ehe, weil sie Frauen nicht stolz, sondern demütig macht. Denn wenn sie mehrere Kinder hat, sieht sie sich weniger als Ehefrau, sondern mehr als geliebte Mutter. Aber die Unfruchtbare weint und schweigt. Oder erinnerst du dich nicht an Hanna, die Ehefrau von Elkana?

Schmerz: Meine Frau bleibt aber unfruchtbar.

Vernunft: Du hast dich gerade über die Untreue deiner Ehefrau beschwert, und jetzt beklagst du ihre Unfruchtbarkeit. Wenn die erste Beschwerde berechtigt war, dann wäre es die zweite nicht, denn es ist für den Ehemann einer untreuen Frau von Vorteil, daß sie unfruchtbar ist. So muß er keine fremden Kinder ernähren, was bei weitem die schlimmste Folge der Übertretungen und Untreue einer Ehefrau ist. Es ist also schon schlimm, eine ehebrecherische Frau zu haben, aber noch schlimmer, wenn sie auch fruchtbar ist.

Schmerz: Meine Frau kann nun keine Kinder gebären.

Vernunft: Warum willst du sie in den Wehen jammern hören, sowie den Streit von Ammen und das Geschrei der Kinder? Die Unfruchtbarkeit beseitigt all diese Belästigungen.

Schmerz: Aber meine Frau ist unfruchtbar.

Vernunft: Paß aber auf, daß du nicht machst, was viele machen, nämlich ihre eigenen Fehler einem anderen zuschreiben. Schon viele Frauen, die in einer Ehe unfruchtbar erschienen, bekamen Kinder, nachdem sie einen anderen geheiratet hatten.

Schmerz: Nein, meine Frau ist unfruchtbar.

Vernunft: Und was weißt du, was für einen Sohn sie dir gebären würde, wenn sie fruchtbar wäre? Die Kinder mancher Frauen haben ihre Fruchtbarkeit verhaßt gemacht und es wünschenswert erscheinen lassen, wenn sie unfruchtbar gewesen wäre. Das Römische Reich hätte dann keine mörderischen Monster wie Gaius Caligula, Nero, Commodus und Caracalla erleiden müssen, wenn Germanicus, Domitius, Marcus Antonius und Septimius Severus keine oder unfruchtbare Frauen gehabt hätten!

Petrarcameister - Von unfruchtbarer Ehefrau

Die Vernunft des Petrarca sucht zu erklären, welcher Segen es sei, keine Kinder zu haben… Der Petrarca-Meister ist weniger Philosoph und mehr Mensch der Wirklichkeit als der Dichter des 14. Jahrhunderts, er macht sich dessen Weisheit nicht zu eigen. Seine Darstellung ist von der Sehnsucht nach Kindersegen erfüllt. Rechts im Bild fleht ein Handwerker, kniend und den runden Hut vor sich, um Nachkommenschaft. Sein Gebet verspricht erfüllt zu werden, er schaut Gottvater in den Wolken mit einem Kindchen in den Händen. In der linken Bildhälfte ist die unfruchtbare Frau dargestellt, der drastisch die Beine zusammengebunden sind. Sie steht im Regen und in einem Quellteich. Nicht nur das Gebet soll den ersehnten Segen bringen, sondern auch zauberische Verrichtungen werden vorgenommen: Der fruchtbringende Regen und das in der Quelle gleichsam eben geborene Wasser galten bei allen Völkern als wirksam.

Soweit schreibt der Kunsthistoriker Walther Scheidig. Aus geistiger Sicht können wir in der linken Bildhälfte die Fruchtbarkeit von Mutter Natur und rechts von Vater Geist sehen. Zum einen die äußerliche materielle Natur mit Regen und Quellen für ein körperliches Gedeihen von Pflanzen, Tieren und allen anderen Lebewesen. Und zum anderen die geistige Welt mit der inneren Geburt des Christuskindes als ein göttliches bzw. ganzheitliches Bewußtsein der Vernunft. Beide Seiten sind verschiedene Ebenen des Geistes bzw. des Bewußtseins, und zwischen ihnen befindet sich unser Ichbewußtsein als Betrachter dieses Bildes, das entweder in die materielle Natur sinkt und von der körperlichen Fessel gebunden wird oder sich aus der Dunkelheit der äußerlichen Natur zum Göttlichen über die Wolken der Unwissenheit in die geistige Freiheit erhebt, wie im Bild vorzüglich symbolisch dargestellt wurde. Dazu sieht man auch den steinigen Weg, der nach links hinab und nach rechts hinauf führt.

2.23. Von verwöhnter Tochter

Schmerz: Meine Tochter ist sehr verwöhnt.

Vernunft: Es wird berichtet, daß Augustus Caesar zu sagen pflegte, er habe zwei verwöhnte Töchter zu ertragen, nämlich Rom und Julia, und daß Julias gute Laune, auch wenn sie den Eindruck von Übermut erweckte, in Wirklichkeit tadellos war. Dieser weiseste aller Kaiser irrte sich jedoch in beiden, denn Rom hatte begonnen, seine alte Tugend zu beschmutzen, und seine Tochter war nicht nur verwöhnt, sondern auch von Ausschweifungen befleckt, die allen bekannt waren, außer ihrem Vater, und ihm erst klar wurden, als es zu spät war. Trotzdem kann deine Tochter gemäß seinem Ausspruch verwöhnt und dennoch tugendhaft sein, obwohl ich gestehen muß, daß das Verwöhnen zweifellos einen direkten und steilen Weg hinunter in die Ausschweifungen eröffnet.

Schmerz: Meine Tochter beginnt herumzuspielen.

Vernunft: Wehret den Anfängen! Um Verhärtetes zu entfernen, braucht man ein Eisenwerkzeug, aber für Weiches reicht der Finger. Wer eine Gewohnheit für sich oder andere ändern möchte, sollte schon im zarten Alter damit beginnen. Denn was noch jung und weich ist, läßt sich leichter formen und biegen.

Schmerz: Meine Tochter fängt an zu posieren.

Vernunft: Dann nimm ihr üppiges Essen, die weichen und schönen Kleider, die funkelnden Ringe und Armbänder und alles andere weg, was sie hat, um sich selbst zu gefallen oder zu versuchen, anderen zu gefallen. Weise ihr die Sorgen des Haushalts zu, laß sie spinnen und nähen und alle anderen Arbeiten erledigen, die ihre zarten kleinen Hände abhärten werden. Halte sie von öffentlichen Aufführungen und Versammlungen fern, laß sie auch an Feiertagen zu Hause bleiben, und laß ihr keine Zeit, an eitle und schamlose Dinge zu denken. Viel Arbeit, einfache Kleidung, einfaches Essen, wenig Gesellschaft, Ausrichtung auf das Wesentliche und ein Aufpasser, den sie liebt und fürchtet, der oft ermahnt, sanft, aber notfalls auch heftig droht: Das sind die Schlösser und Riegel, um die Keuschheit vor der Begierde zu schützen, die angreifenden Leidenschaften von einem friedlichen Geist fernzuhalten und diejenigen zu vertreiben, die sie überwältigen könnten.

Schmerz: Meine Tochter ist schamlos.

Vernunft: Nimm den Rat aus Jesus Sirach (Sir. 42.11) an und bewache deine schamlose Tochter, damit sie dich nicht irgendwann zum Gespött macht. Obwohl es kaum etwas Traurigeres zu ertragen gibt, kannst du deine Trauer zumindest dadurch trösten, daß du (hoffentlich) in der Erfüllung deiner Vaterpflichten nichts unversucht gelassen hast. Dann ist zwar immer noch der Kummer dein, aber weder Schande noch Schuld. Einen Geist zu bändigen, der sich in leidenschaftliche Begierde stürzt, ist sehr schwierig und für einen Menschen so gut wie unmöglich, wenn Gott nicht hilft. Dieser Drang ist so mächtig und überwältigend, daß Eltern, Geschwister und sogar der Ehemann allzuoft vergeblich versuchen, ihn zu zügeln. Kein Wunder, daß geschrieben steht: „Ich könnte nicht gezügelt sein, es sei denn, Gott hat es mir gegeben. (Weis. 8.21)“ Doch das ist keine Entschuldigung für Schamlosigkeit, denn Gott gewährt Enthaltsamkeit jedem, der in aufrichtiger Hingabe darum bittet und selbst versucht, diese Kraft in seinem Herzen zu finden, indem er ihn anerkennt und ihm dankt, dessen Gabe sie ist.

Schmerz: Meine Tochter ist nun auch eine Ehebrecherin.

Vernunft: Wenn sie verheiratet ist, teilt dein Schwiegersohn deine Trauer. Und du findest in Caesar Augustus einen Gefährten in deinem Unglück und auch ein Beispiel für die Rache (siehe Julia).

Petrarcameister - Von verwöhnter Tochter

Zur Klage des Schmerzes „Die Tochter ist viel zu zart und geil“ erzählt der Petrarca-Meister (der diese deutsche Übersetzung von 1532 sicherlich nicht kannte, zumal „geil“ im Mittelhochdeutschen noch „kraftvoll, üppig oder fröhlich“ bedeutete) vom Luxusdasein eines Edelfräuleins. In einer reichen Architektur vor einer gedeckten Tafel zeichnet die Jungfrau einen jungen Edelmann aus, indem sie ihm einen Lorbeerkranz reicht. Der Jüngling hat sich die Gabe mit einer Dichtung verdient, die er seiner Dame in feinstem Anstand mit niedergeschlagenen Augen überreicht. Drei andere Jünglinge stehen hinter dem Auserkorenen, sie sind wohl im Wettstreit unterlegen. Als „Randnotiz“ zu dieser an sich sinnvollen und sittengeschichtlich aufschlußreichen Darstellung steht rechts in der Vorhalle des Festsaales einfältig und bekümmert ein König, das Zepter in der Linken, eine Peitsche in der Rechten. Er ist aus Sebastian Brants Texthinweisen in die Darstellung gekommen als Bild des weisen Salomon, der den Vätern riet, ihre Töchter im Zaum zu halten und sie zu züchtigen. Das Bild wäre ohne diese Zutat vom Geist Brants besser gewesen. Bemerkenswert ist es, daß der Petrarca-Meister zwar zur Illustration von „unkeusch“ und „geil“ Gestalten des Adels wählt, daß er aber die Handlung selbst gar nicht in die Begriffe dieser Worte fallen läßt und sie achtbar, erfüllt von Respekt vor dichterischer Leistung und Anerkennung der Leistung darstellt. Mit Petrarcas Ratschlägen hat die Darstellung nichts zu tun, denn dieser mahnt, die Tochter mit Geschäften und Arbeit, mit unhübscher Kleidung, grobem Essen, freundlicher und, so es die Notdurft erfordere, auch ernsthafter Betreuung in Schranken zu halten.

Soweit schreibt Walther Scheidig. Aus geistiger Sicht können wir hier einen heranwachsenden Menschen mit den inneren Prinzipien in seinem Körperhaus sehen. Zum einen die weibliche Körperlichkeit bzw. das natürliche Körperbewußtsein, und zum anderen die männlichen geistigen Gestaltungen mit dem heranwachsenden Ichbewußtsein, hinter dem die drei Gesellen stehen, die uns an das Würfelspiel aus Kapitel 2.16 erinnern, nämlich Begierde, Haß und Unwissenheit in jungen Jahren, welche mehr oder weniger verdeckt auf das Ego weisen, das sich noch bescheiden zeigt. Das verwöhnte bzw. gewöhnte Körperbewußtsein krönt nun bald das Ichbewußtsein zum Helden und Sieger und empfängt dafür den gedanklichen Verstand mit der begrifflichen „Dichtkunst“. So loben bzw. verloben sie sich gegenseitig und geben sich Kraft und Nahrung, wie am wohlgedeckten Tisch zu sehen ist. Und je üppiger dieser Nährboden ist, desto schneller wächst das Ichbewußtsein mithilfe seiner Gesellen zu einem trennenden Geist heran, wie auch Petrarca im Text die Entwicklung vom Verwöhnen über die Selbstgefälligkeit bis zum Ehebruch beschreibt, so daß die Gegensätze zwischen Geist und Natur immer größer und feindlicher werden. Entsprechend hat es die höhere Vernunft immer schwerer, die eigentlich gekrönter König sein sollte und das Ego mit seinen Gesellen zügeln könnte, aber noch draußen vor der Tür steht und vor dem Hintergrund der Natur mit der stolzen Ego-Burg auf seinen Einsatz wartet. Deshalb ist es auch normal, daß diese Aufgabe die Eltern für die heranwachsenden Kinder übernehmen sollten, bis die höhere Vernunft mit der entsprechenden Weisheit, das heißt, der Kraft Gottes, auch innerlich heranwächst.

2.24. Von der Schuld durch andere

Schmerz: Ich werde für das Vergehen eines anderen verantwortlich gemacht.

Vernunft: Wie ich dir bereits gesagt und dargelegt habe, kann dir zwar das Vergehen eines anderen Sorgen bereiten, aber keine Schuld. Damit sage ich dir die Wahrheit: Falls die Anschuldigung falsch ist, wird sie nicht von Dauer sein, auch wenn es jetzt hart für dich ist. Damit Schuld oder Verdienst für dich Bestand haben, mußt du deinen eigenen Acker bestellen und die Weinrebe deiner Seele mit deinem eigenen Messer ernten.

Schmerz: Ich bin wirklich von der Schuld anderer betroffen.

Vernunft: Ich will dir glauben. Dann freue dich über deine Unschuld, es sei denn, du wirst mehr von den Angelegenheiten anderer betroffen als von deinen eigenen. Schuld und Verdienst werden eigentlich nicht wie ein Erbe vererbt. Und wenn dies der Fall wäre, sollte es immer noch möglich sein, es abzulehnen, denn niemand wird gezwungen, ein belastendes oder anrüchiges Erbe anzunehmen. Entsprechend hängen auch dein Verdienst und dein Ruhm nicht von einer Namensfolge ab, noch vom Grad irgendeiner Bekanntschaft oder Verwandtschaft. Ob du nun einen öffentlich leuchtenden oder dunkel verborgenen Ruf wünschst, er muß von deinen Verdiensten stammen, nicht von jemand anderem. Die Aufgabe liegt ausschließlich bei dir. In dieser Hinsicht können dich die Taten eines anderen weder verletzen noch verherrlichen. Was suchst du nach Notar und Zeugen? Was vertraust du auf den liebsten und berühmtesten deiner Ahnen? Und was fürchtest du den berüchtigten? Sie können dir weder Verdienst noch Schuld einbringen. Verdienst wird einem nicht vererbt, man muß ihn sich verdienen.

Schmerz: Ja, die Schuld meiner Verwandten bedrückt mich.

Vernunft: Es ist eher deine Meinung, die dich bedrückt, und diese ist eine große Quelle menschlichen Elends. Schüttle die „Meinung“ ab und du wirst von dieser eingebildeten Last befreit sein!

Schmerz: Ich werde aber für die Vergehen meiner Verwandten verantwortlich gemacht.

Vernunft: Ich bestreite immer noch, daß dies möglich ist. Doch ich gebe zu, daß es besser für dich ist, für die schändlichen Taten anderer verantwortlich gemacht zu werden, als daß andere für deine beschuldigt werden. Das Gewicht der Sünde ist viel schwerer als das der Anschuldigung, denn wo Sünde ist, ist echtes Leiden. Umgekehrt hat eine falsche Anschuldigung keinen wahren Einfluß auf dein Leiden, wie auch falscher Verdienst keinen wahren Einfluß hat. Obwohl zugegebenermaßen das Erstere (die falschen Anschuldigungen) den Verstand des einfachen Volkes ärgert und das Zweite (der falsche Verdienst) ihnen gefällt.

Schmerz: Es ist mir unmöglich, von der Schuld meiner Verwandten nicht berührt zu werden.

Vernunft: Berührt zu werden ist Mitfühlen, überwältigt zu sein ist Mitleiden. So erkenne trotz deiner Verärgerung die Gründe und verbessere mit größter Sorgfalt den schlechten Ruf deiner Verwandten, solange es eine gewisse Hoffnung auf Abhilfe gibt. Wenn aber jede Hoffnung dahin ist, dann denke ich, daß du aufgeben und alle Angst und Qual ablegen solltest, denn sich umsonst anzustrengen und sich im Leiden zu suhlen, ist bloßer Wahnsinn.

Schmerz: Ich werde auch für das schändliche Verhalten meiner Diener beschuldigt.

Vernunft: Diese Strafe verdienst du für deine Geduld, denn du hättest ihre Schande durch Ermahnung und Strafe abwaschen können.

Schmerz: Aber das schändliche Verhalten meiner Verwandten ist nicht so leicht zu bestrafen.

Vernunft: Laß mich fragen, wer diese Verwandten sind? Unter keinen Umständen dürfen Kinder ihre Eltern bestrafen. Denn was deine Eltern betrifft, daraus kann dir kein schlechter Ruf geschehen, vielmehr die richtige Entschlossenheit, wie ein Blitz in der Nacht zu erstrahlen. Gerade solche Probleme führen zur Tugend. Und es ist viel einfacher, auf dem richtigen Weg zu bleiben, wenn man aus dem Dunklen einem hellen Licht entgegengeht. Falls es die Ehefrau betrifft, habe ich bereits darauf hingewiesen, was du tun sollst und welche Abhilfe es gibt, an die du dich erinnern kannst. Falls es deine Kinder sind, dann denke an jene Kinder, die andere Männer hatten, wie die Söhne von Fabius Maximus, Scipio Africanus und Pompeius dem Großen (wenn wir eher nach historischer Abfolge und persönlichem Ruhm als nach imperialer Macht und Reichtum vorgehen), oder der jüngste Sohn von Vespasian, der einzige Sohn von Marcus Aurelius Antoninus oder der Erstgeborene von Severus! Was für Söhne hatten Hortensius und Cicero? Denke schließlich auch an die Tochter von Augustus Cäsar und den Sohn des Germanicus, und du wirst die große Dunkelheit sehen, die einem großen Licht folgen kann, und verstehen, daß dieses Kinderunglück aus einem unbekannten Grund um so häufiger vorkommt, je größer (bzw. berühmter) die Familie ist. So hat jeder zu Hause seine Probleme, welche die Nachbarn selten sehen können oder wollen. Es fehlt auch nicht an ähnlichen Beispielen von Brüdern und Schwestern sowie anderen Verwandten, aber ich habe nur jene angeführt, die besonders beschämend erscheinen. Sie alle haben die gleiche Botschaft: Daß jeder Makel, den jemand haben mag, nicht auf einen anderen übertragen werden kann oder ihm gegen seinen Willen anhaftet.

Petrarcameister - Von der Schuld durch andere

Es ist ein etwas komplizierter Sachverhalt, der hier mit den Worten der Klage ausgedrückt wird: „Ich werde für das Vergehen eines anderen verantwortlich gemacht.“ Der Petrarca-Meister zeichnet, wie einem Patrizier ein verleumderischer Brief gebracht wird, über dessen Inhalt er erschrickt. Die Miene des Boten ist aus dem Werk des Zeichners schon bekannt als die eines Heuchlers, der den Biedermann spielt. Links im Hintergrund wird der Inhalt der Verleumdung bildlich angedeutet: Die Söhne, die Töchter, vielleicht auch die Frau des Patriziers und er selbst zeigen sich als Liebespaare oder Ehebrecher am Waldrand.

Soweit schreibt Walther Scheidig. Aus geistiger Sicht kann man den bärtigen Geist als Bote mit seiner Tasche der Erinnerung auf dem „festen und steinigen“ Grund der Körperlichkeit sehen und rechts davon den Verstand vor seinem körperlichen Haus, der eine begriffliche bzw. gedankliche Botschaft bekommt. Im Hintergrund erscheinen fünf Liebespaare, die sich in der Natur vergnügen und ergehen, die uns an die fünf Sinne erinnern in ihrem Liebespiel von Männlich und Weiblich bzw. Geist und Natur oder Subjekt und Objekt. Und dieses Spiel der Sinne und ihre Empfindungen werden vom Körperbewußtsein als Botschaft durch den Geist zum gedanklichen Verstand getragen, der diese Botschaft versteht. Damit wäre dieses Bild eine Fortsetzung des vorherigen, und aus der „Dichtkunst“ wird eine „Wirklichkeit“, die das heranwachsende Ichbewußtsein empfängt, das sich nun zum reichen Patrizier bzw. König in der Körperburg entwickeln will. Entsprechend nimmt es auch diese Botschaft mit der einen Hand an, darin wir das Begehren nach persönlichem Eigentum sehen, so daß es sich auch die Schuld bzw. Sünde und das dazugehörige Leiden aneignet. Und mit der anderen Hand lehnt es diese Botschaft ab, und diese Ablehnung kommt aus dem Haß bzw. Zorn, indem es die Schuld in anderen sieht. So entsteht das Ego-Spiel von Mein und Dein sowie Gut und Böse aus der Unwissenheit. Deshalb heißt es auch im Vaterunser: »Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.«

2.25. Von eigener Schande

Schmerz: Meine eigene Schande bedrückt mich.

Vernunft: Ich ahnte schon, daß dich dein eigenes Gewissen bedrückt (lat. conscientia, auch Mitwissen oder Bewußtsein).

Schmerz: Ich bin deprimiert von schwerer Schande.

Vernunft: Wenn sie verdient wurde, dann solltest du nicht deine Schande beklagen, sondern die Taten, die sie verursacht hat. Wenn sie unverdient ist, dann verwerfe mutig diese menschliche Beschuldigung und tröste dich mit einem reinen Gewissen.

Schmerz: Aber schwere Schande belastet mich.

Vernunft: Du keuchst unter einer Last aus Wind. Dann muß es wohl die Schwäche des Trägers sein, die diese Last so schwer macht.

Schmerz: Schmerzliche Schande besudelt meinen Namen.

Vernunft: Entscheidend ist die Art der Wurzel. Wenn sie gerechtfertigt ist, wird deine Schande weiter wachsen, wenn nicht, wird sie bald verwelken und verschwinden.

Schmerz: Große Schande wird mir eingeredet.

Vernunft: Gut gesagt! Dein Ruf ist nur ein Einreden, und oft aus einem unreinen Mund, was dich so erschüttert und erschreckt. Doch für viele war große Schande der Anfang von großem Ruhm. Das gemeine Volk hat sich oft beschämt und getreu seiner Gewohnheit, Irrtum auf Irrtum gehäuft, und auch ohne wahren Grund angemessene Schande mit maßlosem Lob gekrönt.

Schmerz: Von allen Seiten trifft mich diese Schande.

Vernunft: Dann nutze diese Wirbelwinde, um zum Hafen zurückzukehren, und entferne dich von diesen Stürmen, die in deine Ohren blasen, um in die Kammer deines Herzens einzugehen. Wenn es dort Frieden gibt, hast du einen Ort, um dich auszuruhen, wenn du vom Streit erschöpft bist, und kannst dich sozusagen in deinem Herzen erfreuen.

Schmerz: Mein Ruf ist getrübt, aber mein Gewissen ist rein.

Vernunft: Hättest du lieber einen glänzenden Ruf und ein von Schande betrübtes Gewissen, damit dieser Vers von Horaz nur allzu wahr wird: „Falsche Ehre erfreut, und falsche Schande erschreckt.“? Oh welch eitler Wahn! Nur echte Dinge sollten dich erfreuen oder erschrecken, denn sich vor Schatten zu fürchten ist eines (vernünftigen) Menschen nicht würdig.

Schmerz: Die Last meiner Schande ist so groß.

Vernunft: Wenn sie durch schändliche Taten angehäuft wurde, dann muß ich zugeben, daß sie wirklich schwer ist. Wenn sie aber zufällig entstand, ist sie leicht, und wenn sie durch ehrliches Bemühen geschah, ist sie ruhmreich. Denn ein schlechter Ruf durch ehrliche Tat verdient nichts als Lob. Laß dich ruhig von den Dummköpfen schmähen, während du dich an dem edelsten Gewinn erfreust, nämlich an der Tugend, dem seltensten Gut, das du mit dem Verlust deines guten Rufs erkauft hast, vielleicht sogar mit dem höchsten Preis, den du hier zahlen kannst. Denn der ist ein wahrer Verfechter der Tugend, der in der Tugend gar nichts anderes findet als die Tugend selbst. So ist es im Streben nach Tugend erforderlich, andere Dinge aufzugeben, und die Hingabe des Rufs ist die beachtenswerteste von allen, weil er für ehrliche Menschen nicht nur kostbarer als Gold, sondern kostbarer als das Leben selbst ist. Wer also aus Liebe zur Tugend den Beifall hingibt, der kann wohl alles hingeben. Das ist, wie du wissen solltest, sehr edel, aber äußerst selten, denn die meisten Menschen, die gern als tugendhaft erscheinen, lassen in ihrer Bemühung nach, sobald sie Ansehen erlangt haben, was deutlich macht, daß sie nur dieses erreichen wollten.

Schmerz: Es ist aber so schmerzlich, wenn mich viele Menschen verleumden.

Vernunft: Vor langer Zeit haben viele Menschen Fabius verleumdet, und viele weitere haben Scipio Africanus auf schmerzliche Weise verleumdet, was diesen beiden Männern zu großem Ruhm verholfen hat. Hör also auf, dich darüber zu beschweren, wenn du mit solchen Großen das gleiche Los teilst! Es gibt auch nur sehr wenige, die nie irgendeine Art von Schande erlitten haben. Der Ruf eines Menschen ist eines der heikelsten Dinge, der oft aus unbedeutendsten Gründen besudelt wird. Kurz gesagt: Weil nichts heller erscheint als der gute Name, wird auch nichts leichter durch äußere Einflüsse verdunkelt.

Schmerz: Ich bin verwundet von schmerzlicher Schande.

Vernunft: Diese Krankheit betrifft meistens die Angesehensten und hat nicht einmal die Heiligsten verschont, deren König (Christus) frei von jeglicher Schuld war, aber von den Bösartigen verleumdet wurde. Was zeigt, daß der Mensch nicht hoffen kann, einem Übel zu entkommen, das selbst Gott trifft.

Schmerz: Ich werde von den härtesten Verleumdungen angegriffen.

Vernunft: Ich denke, daß es fast unmöglich ist, daß die Tugend nicht von Neid angegriffen wird. Es genügt aber zu wissen, daß die Tugend nicht gestürzt werden kann, denn wann immer Licht auf Dunkelheit trifft, siegt das Licht in diesem Kampf, vorausgesetzt, es ist rein und beständig.

Schmerz: Ich werde von bitterer Schande aufgewühlt.

Vernunft: Gemeines Gerede, getragen von den Winden der blinden Dummheit, dröhnt über die höchsten Gipfel, aber erschüttert sie nicht, und falls doch, stürzen sie nicht ein. Nimm es als ein Zeichen deiner Vorzüglichkeit, daß du in den Mund der Menge getrieben wirst, als ob du in Riffe und Untiefen geraten wärst. Ein niederer Ruf, der sich unten hält, ist weder den hellen Strahlen des Lobes noch den Stürmen der Schande ausgesetzt. Auf was herabgesehen wird, wird oft in Ruhe gelassen.

Schmerz: Die Menge spricht so schlecht von mir.

Vernunft: Gut für dich, daß du ihnen auf der Zunge liegst, aber nicht in ihren Schriften! Denn das Geschwätz des Volkes ist gemein und kaum von Dauer. Was durch unbedeutende oder eingebildete Ereignisse geschieht, wird auch schnell vergessen werden. Wenn die Leute lange genug gebellt haben, verstummen sie. Und je wilder sie anfangen, desto schneller ermüden sie.

Schmerz: Ihre geschwätzigen Zungen quälen mich.

Vernunft: Schlimmer wäre es, wenn du den Zorn eines berühmten Redners oder Dichters auf dich ziehen würdest, wie es viele in der Vergangenheit taten, die, wie wir wissen, durch die Redekunst ihres Feindes für alle Zeiten der Schande geweiht wurden. Deshalb finde ich es edel, daß König Alexander neidisch darüber seufzte, daß Achill einen (gutmütigen Dichter wie) Homer gefunden hatte. Es ist in der Tat edel, daß der König Angst hatte, daß beredte Dichter etwas Schroffes über ihn schreiben könnten. Obwohl man sich nicht den Beschimpfungen der Gelehrten beugen darf, sondern ihre böswilligen Anschuldigungen mit der gleichen Schärfe des Stils widerlegen sollte, wie es Cicero gegen Sallust tat, Demosthenes gegen Aeschines und auch Cato gegen unzählige Gegner. So daß man mit edlem Mut und einem Geist widersteht, der von theatralischem Schein nicht eingeschüchtert wird und wiederholt, was Vatinius über den schimpfenden Calvus sagte: „Nur weil er redegewandt ist, muß ich nicht verurteilt werden.“ Bis jetzt gibt es also keinen Grund zur Sorge, denn die Menge schimpft immer über irgendetwas, hält aber entweder von selbst oder notwendig in kurzer Zeit inne, denn der Tag (des Todes) wird kommen, der jede lärmende und zirpende Grille irgendwann verstummen läßt.

Schmerz: Ich habe wirklich einen schlechten Ruf bei den Leuten.

Vernunft: Dann versuche beständig, bei dir selbst und bei guten Menschen einen guten Ruf zu bewahren. Der schlechte Ruf, über den du dich beschwerst, wird zweifellos verschwinden. Oh du eitles und schwankendes Volk der Sterblichen! Was bedeutet dieses vergängliche und hinterhältige Geschwätz der Verleumder? Es werden jene kommen, die freier und gerechter urteilen werden. Nun könntest du fragen: „Wer sind diese Richter?“ Du kannst sie nicht kennen, aber du wirst ihnen bekannt sein. Damit meine ich auch diejenigen, die nach dir geboren werden und sich nicht durch Haß oder Bosheit deiner Generation oder ihre Begierden, Hoffnungen und Ängste täuschen lassen. Wenn du eine unverfälschte Beurteilung deiner Handlungen wünschst, dann mußt du auf diese Richter warten. Es wird nicht lange dauern. Sieh nur, sie beeilen sich und werden bald da sein.

Schmerz: Alles, was mir meine Tugend und meine hohen Taten eingebracht haben, sind Verleumdungen.

Vernunft: Es gibt Zeiten, in denen die Liebe (zur Tugend) durch Beleidigungen genährt wird und mit den Schmerzen wächst und gefördert wird und seltsamerweise tiefe Wurzeln in einem sauren und bösartigen Boden zu haben scheint. Daraus folgt, daß diejenigen, die diese außergewöhnlichen Wege gehen, oft die meisten und schmerzlichsten Prüfungen erleiden müssen, was besonders in euren Städten bekannt und üblich ist. So liebt niemand die Gerechtigkeit und Wahrheit mehr als derjenige, der dafür Qual und Tod erlitten hat. Darum liebe die Tugend und verehre sie immer mehr, um deren willen du deinen guten Namen, das Schönste und Kostbarste von allem, verloren hast, und um deren willen du die Qual der Schande erleidest, die keine geringe Prüfung ist. Laß los, entsage allem anderen und umarme die Tugend, das Einzige, was dir nicht genommen werden kann, und sage zu ihr: „Das ertrage ich gerne für dich, oh meine Königin, damit du mich wieder vollkommen heil und gesund machst. Du allein stehst nun für alle anderen Dinge. Du allein kannst mich an deinen heiligen Busen zurückführen, wo weder der Verlust meines guten Namens noch all die anderen Leiden des Lebens wehtun können.“

Schmerz: Die Leute verleumden mich aber an jeder Straßenecke.

Vernunft: Betrachte es als einen Segen! Die Leute machen dich bekannt, deine Tugend macht dich berühmt, und dein Gewissen macht dich sorgenfrei.

Petrarcameister - Von eigener Schuld und Schande

In die Darstellung des Petrarca-Meisters ist vom Text wenig eingeflossen. Er hat andere Wege gewählt, um die Verleumdung sinnfällig zu machen. Ein gelassen dastehender Greis wird von Jünglingen, Männern und einer Frau verspottet. Eselsohren werden gemimt, Hörner werden dargestellt, Zungen herausgestreckt und lange Nasen gemacht. Dazu fällt sinnbildlich ein Regen von bösen Zungen auf den Verspotteten nieder. Die Spötter selbst scheinen dem gleichen Stand wie der Verspottete anzugehören. Es sind Bürger oder Handwerker, die hier in ihrer Torheit Verdienste nicht zu erkennen wissen.

Soweit schreibt Walther Scheidig zu diesem Bild. Aus geistiger Sicht können wir den bärtigen Geist auf dem Boden der Natur im Regen der „Schandzungen“ sehen, also die „Beleidigungen“ durch Worte, Wissen oder, modern gesagt, durch Information. Nachdem im letzten Bild die gedanklich-begriffliche Dichtkunst zur Wirklichkeit wurde, wird sie nun zur Leidenschaft und dadurch zum Leiden des Schmerzes. Und man erkennt gut, wie diese Zungen aus den Wolken der Unwissenheit herabfallen, die das reine Licht des Bewußtseins verdunkeln, im Gegensatz zu den üblichen Darstellungen der Feuerzungen des Heiligen Geistes, die nach oben streben. Dazu kann man auf der linken Seite, das heißt, rechts vom Geist, die innere Welt mit den drei bekannten Gesellen sehen, nämlich Begierde, Haß und Unwissenheit, die nun älter aber nicht vernünftiger geworden sind. Und auf der anderen Seite wäre dann die äußerliche Welt mit der weiblichen Natur und den weltlichen Gegensätzen, die in der Welt der äußeren Formen ihre „Fratzen und Grimassen schneiden“, das heißt, das „Gesicht“ verzerren und damit Illusionen erzeugen, wie auch an der innerlichen Unwissenheit sichtbar ist. Doch wie die Vernunft Petrarcas empfiehlt, schaut der Geist bzw. das Bewußtsein mehr auf das Innere und versucht dort die Ursachen seiner „Bedrückung“ zu erkennen, die das Bewußtsein „belastet“ und vom reinen universalen Bewußtsein auf die Ebenen des gedanklichen Ichbewußtseins und sinnlichen Körperbewußtsein herabdrückt.

Auch Meister Eckhart sagt: „Daß sie (die höhere Vernunft) allwegs inwendig suchend oder wirkend ist. Gott ist ein solches Wesen, das allwegs im Allerinnersten wohnt. Darum ist die Vernunft allwegs nach innen suchend. Der Wille hingegen geht nach außen auf das, was er liebt. (Predigt 40)“

2.26. Von unwürdigem Lob

Schmerz: Ich werde getadelt, weil ich einen Unwürdigen gelobt habe.

Vernunft: Oft wächst ein Übel aus einer guten Wurzel. Denn gute und unschuldige Menschen betrachten andere so, wie sie selbst sind, und neigen daher schnell zum Lob. Doch obwohl es schlecht ist, etwas Unwürdiges zu loben, so ist es doch viel schlechter, Verdienstvolles zu tadeln.

Schmerz: Ich habe eine unwürdige Person gelobt.

Vernunft: Das war verwerflich, wenn du es wissentlich getan hast, aber entschuldbar, wenn du es nicht besser wußtest. Denn es ist ein geringeres Übel, getäuscht zu werden, als andere zu täuschen. Denn getäuscht zu werden, ist die Schuld eines anderen, aber zu täuschen ist die Schuld des Betrügers selbst.

Schmerz: Das Lob für andere brachte mir Schande.

Vernunft: Dies war entweder dein eigener Fehler oder geschah aufgrund deiner Unwissenheit. Denn weder Lob noch Schande können aus irgendeiner anderen Quelle zu dir kommen!

Schmerz: Es tut mir sehr leid, einen Unwürdigen gelobt zu haben.

Vernunft: Dann sorge dafür, daß du es nicht öfters bereuen mußt, und hüte dich künftig davor, voreilig zu loben oder zu tadeln! Beides tun die Menschen gern, und es ist tatsächlich wie eine Krankheit, dieses lüsterne Begehren einer ungezügelten Zunge, die immer schwatzen muß, und deren Zügelung und Zurückhaltung zu den großen Leistungen menschlicher Vollkommenheit gezählt werden müssen. Wie auch die Bibel sagt: „Wer nicht mit Worten beleidigt, ist ein vollkommener Mensch. (Jak. 3.2)“ Dabei wird man allzuoft getäuscht, und es wird leider allzuoft wahr, was der Apostel feststellte: „Die Zunge, die kein Mensch zähmen kann, ist ein unruhiges Übel, voll tödlichen Giftes. (Jak. 3.8)“ Denn jeden Tag stürzt dich deine Zunge kopfüber in Lügen und von deiner eigenen Begierde getrieben, in eine falsche (bzw. illusorische) Wahrnehmung der Dinge. Hier gibt es viele, die ihre bösartigen Gewohnheiten hinter ihrer Haltung und Beredsamkeit verbergen, was wir von Alcibiades gehört und bei vielen anderen gesehen haben. Dagegen gibt es auch jene, die ihre Tugend mit einem Schleier verhüllen, einige durch ihre strenge Miene oder strenge Sprache, andere sogar durch eine gewisse Geschicklichkeit, um sorgfältig zu vermeiden, was die Menge begehrt. Wie es also viele gibt, die vorgeben, gut zu sein, so gibt es auch einige, die versucht haben, schlecht zu erscheinen, um den verdorbenen Atem menschlicher Beifallsrufe oder die geistige Last irdischer Ehren zu vermeiden, wie wir vom heiligen Ambrosius lesen. Aus dieser Untugend kommen auch Liebe und Haß, Zorn und Neid, Hoffnung und Angst und verschiedene andere geheime Leidenschaften des Geistes, darunter viele ganz unbekannte, aber alle dem wahrhaften Urteil feindlich gesinnt. Außerdem verbietet es ein Gebot Gottes, die Lebenden wegen der Unbeständigkeit des sterblichen Lebens zu loben, um wieviel mehr gilt es für das Tadeln? Deshalb sei von nun an langsam mit Lob und noch langsamer mit Tadel! Denn wie gesagt, jeder Fehler ist schlecht, aber viel schlechter, wenn es um Tadel geht.

Schmerz: Ja, es war ein Fehler, den Unwürdigen zu loben.

Vernunft: Durch Fehler lernt man, und damit können viele weitere Fehler verhindert werden. Denn solange man sich schämt, einen Fehler gemacht zu haben, achtet man darauf, daß ein ähnlicher Fehler nicht noch einmal passiert. Du hast ohne Weisheit gelobt. Nun beherrsche deine Zunge, das sollte wohl die gute Lektion dieser schlechten Tat sein.

Schmerz: Ich schäme mich wirklich und bereue, den Unwürdigen gelobt zu haben.

Vernunft: Scham, Reue und Schmerz sind die Stufen zu Buße und Erlösung. Nur wenige finden den richtigen Weg, ohne durch viele Nebenwege zu irren. Und so haben wir viele gesehen, die in jungen Jahren vom Laster versklavt waren, aber im Alter zu Liebhabern der Tugend wurden.

Petrarcameister - Von unwürdigem Lob

Mit den spitzfindigen Gewissensbissen des Schmerzes, der da spricht: „Ich werde getadelt, weil ich einen Unwürdigen gelobt habe“, war in illustrativer Hinsicht nicht viel anzufangen. Auch Brant mag in Verlegenheit gewesen sein, weil weder Petrarcas Text noch seine eigenen Ausführungen im „Narrenschiff“ Anhalte für eine bildliche Darstellung gaben. Die Zunge, die nicht im Zaum gehalten wurde, die gelobt hat, wo nichts Lobenswertes war, wird gestraft. Einem Mann in Bürgerstracht, der sich verzweifelt das Haar rauft, wird von einem Landsknecht ein Pflock in die Zunge geschoben. Neben ihm steht ein anderer Mann in Handwerkertracht, der anscheinend die Gerechtigkeit dieser Bestrafung mit Worten zu unterstreichen sucht. Im ganzen gesehen eine Verlegenheitsdarstellung zu einem Text, der sich der Illustrierung entzieht.

Soweit schreibt Walther Scheidig. Aus geistiger Sicht könnte man das herangewachsene Ichbewußtsein sehen, wie es vom Schmerz selbst in Form des „Landsknechts“ durch eine Leiderfahrung in seinem Gebrauch der Zunge gezügelt wird. So lernt es, nicht alle Gedanken, die sich so wirr wie die dargestellten Haare immer wieder aus dem Verstand mit seiner „Dichtkunst“ erheben, auch auszusprechen und deren Begierde nach Artikulierung bzw. Verwirklichung nachzugeben. Links könnte dann die Vernunft Petrarcas stehen, die diesen „Stufenweg von Scham, Reue und Schmerz zur Buße und Erlösung“ lobt, wie es auch im Text heißt. Das Ganze geschieht auf dem steinigen Boden der Natur vor dem Hintergrund der Körperlichkeit mit ihren gemauerten Häusern, so daß man den Landsknecht auch als einen Diener von Mutter Natur sehen könnte.

2.27. Von untreuen Freunden

Schmerz: Ich beschwere mich über meine Freunde.

Vernunft: Wer sich schon über seine Freunde beschwert, was soll er dann über seine Feinde sagen?

Schmerz: Ich habe untreue Freunde.

Vernunft: Du sagst etwas Unmögliches, es sei denn, du hast an Freunde geglaubt, die keine waren. Was nicht nur möglich ist, sondern häufig vorkommt.

Schmerz: Meine Freunde sind wirklich untreu.

Vernunft: Die Welt ist voll von solchen Klagen. Wahre Freundschaft und Untreue passen aber nicht zusammen. Wer anfängt, untreu zu werden, hört auf, ein Freund zu sein, oder war nie einer gewesen, was ich eher denke. Da alle Tugenden ewig und alle menschlichen Illusionen vergänglich sind, ging nicht die Treue verloren, sondern die Illusion von Treue.

Schmerz: Ich habe aber untreue Freunde.

Vernunft: Wenn die vermeintlichen Freunde jetzt beginnen, ihre unverläßliche Natur zu zeigen, dann solltest du froh sein, daß dein Irrtum ein Ende hat. Aber hüte dich davor, daß dich ihre Krankheit heimlich infiziert. Wer auch immer sie sein mögen, bewahre den Glauben an die Freundschaft und versuche, nicht für diese Untreuen, sondern für dich selbst, von der fremden Plage der Untreue frei zu bleiben. Was einfacher ist, wenn du genau darüber nachdenkst, wie wenig du ihre Treulosigkeit magst, denn der Haß auf ein Laster ist oft ein Ansporn zur Tugend.

Schmerz: Ich zog wohl den unverdienten Haß meiner Freunde auf mich.

Vernunft: Bürger können sich hassen, Partner, Verwandte, Ehegatten oder Geschwister können sich hassen, der Sohn kann seinen Vater und der Vater seinen Sohn hassen, kurz gesagt, es gibt keine Beziehung, die nicht von Haß angesteckt werden kann. Nur wahre Freundschaft kennt dieses Übel nicht. Prinzipiell besteht der Unterschied zwischen dieser und anderen Beziehungen darin, daß diese beständig ist, aber ihren Namen „Freundschaft“ verliert, wenn Haß eindringt und die Liebe nachläßt. Solange diese (wahre) Liebe da ist, kann es keinen Freund mit Haß geben.

Schmerz: Ich leide aber unter verräterischen Freunden.

Vernunft: Wenn es Hoffnung für sie gibt, dann ertrage sie und liebe sie von Herzen, damit sie ihr Vertrauen in dich zurückgewinnen. Viele Freundschaften werden durch lauwarme Liebe ausgelöscht. Zu wenig Vertrauen fördert die Treulosigkeit. Aber wenn nichts nützt und alle Hoffnung dahin ist, dann befolge den Rat von Cato, der der Meinung ist, daß Freundschaften, die unangenehm werden, nach und nach getrennt werden sollten, damit eine plötzliche Beendigung nicht zu zwei großen Schäden führt, dem Verlust von Freunden und dem Gewinn von Feinden. Es sei denn, es handelt sich um einen schweren Fall, in denen keine Geduld mehr angebracht ist und dieser reife Rat nicht befolgt werden kann. Wenn dies geschieht, muß es zu den größten Prüfungen der Freundschaft gezählt werden und wie jede andere Gefahr mit mutigem Geist bewältigt werden. Aber ein solches Ereignis ist wahrer Freundschaft kaum bekannt.

Petrarcameister - Von untreuen Freunden

Die Klage über die ungetreuen Freunde stellt der Petrarca-Meister bildlich nach dem Sprichwort dar: „Hüte dich vor Katzen, die vorne lecken und hinten kratzen!“ Der linksstehende Mann hat sich für das hinterhältige Werk der Katze geradezu präpariert, indem er den Oberkörper entblößt hat. Nun leckt ihm die Katze das Gesicht, und das Blut läuft an dem zerkratzten Rücken herab. Das Katzengleichnis kann Sebastian Brant dem Künstler angegeben haben, denn er hatte es auch in seinem „Narrenschiff“ gebraucht. Dort heißt es im Kapitel „von offlichem anschlag“:

„Es will jetzt rätschen (schwatzen) jedermann
Und treiben solche Kaufmannschaft (Handel, Geschäft)
Die vorne leck und hinten kratz.“

Die Darstellung des Paares rechts mag der eigene Beitrag des Petrarca-Meisters zum Thema der falschen Freunde sein. Stände seiner Gegenwart sind dargestellt. Der Ritter in prächtiger Rüstung geht scheinbar eine Freundschaft mit dem Gelehrten ein, er reicht ihm die Hand und stößt ihm zugleich den Dolch in den Rücken. Man wird an die Versuche Adeliger erinnert, die Hilfe der Bürger für eine „Reichsreform“ zu gewinnen, wie sie Ulrich von Hutten 1520 in seinem Sendschreiben an Kaiser und Kurfürsten umriß und wie sie Franz von Sickingen 1522 mit seiner „Fehde“ gegen Trier angeblich begann, mit dem Ziel, den überfälligen Rittern in einem künftigen Reichsheer wieder zu einer Daseinsberechtigung zu verhelfen. - Es mögen Erfahrungen aus der Stadtgeschichte Augsburgs gewesen sein, die dem Petrarca-Meister schon einige Jahre vor diesen Ereignissen einen klaren Blick dafür gaben, was vom Stand der Ritterschaft im Ganzen gesehen zu halten war.

Soweit schreibt Walther Scheidig. Aus geistiger Sicht steht hier die Frage nach einem wahren Freund im Leben. Auch das deutsche Wort „Freund“ ist in seinem Ursprung etymologisch mit „Liebe“ verwandt, wie es auch Petrarca anspricht, und damit ist die reine Liebe gemeint, die alle Gegensätze überwindet und jede Feindschaft auflöst. Das ist heutzutage schwer zu verstehen, weil wir Freundschaft und Liebe gewöhnlich im egoistischen Sinne von Nützlichkeit und Begierde verwenden. Und eben dieser Sinn könnte rechts im Bild dargestellt sein, wenn das Ego seine geschmückte Rüstung trägt, um seine Illusionsblase von Ich und Mein zu beschützen, und mit seinem „kopflastig überschäumenden“ Verstand angeblich ein Freund der Vernunft und Weisheit sein will, aber durch sein eigennütziges und eigenwilliges Wesen hinterhältig ihren Tod bewirkt, so daß sich kein ganzheitliches bzw. göttliches Bewußtsein erheben kann. Es ist auch schön gezeichnet, wie diese beiden Bewußtseinsebenen zwar eng miteinander verbunden sind und sich in „die Augen schauen“, aber durch die Illusion der Trennung von Ich und Mein sowie Gut und Böse nicht wahrhaft vereint bzw. befreundet sein können. Das linke Paar von Mensch und Tier könnte auf das tierhafte Körperbewußtsein anspielen, das wir gern als unseren besten Freund betrachten, dem wir uns in der Hoffnung auf sinnlichen Genuß schutzlos und nackt ausliefern, aber „hinterlistig“ kommt das entsprechende Leiden im Spiel der natürlichen Gegensätze hinzu. Das Ganze geschieht wieder auf dem steinigen Boden der materiellen Körperlichkeit vor dem Hintergrund einer lebendigen Natur, wo auch der Baum des Lebens steht. Und damit könnte der Petrarca-Meister die Frage nach einer „wahren Freundschaft“ damit beantworten, daß so eine wahre Liebe über das sinnliche Körperbewußtsein und das trennende Ichbewußtsein hinausgehen muß.

2.28. Von Undankbaren

Schmerz: Ich stoße auf viel Undank, was mich sehr belastet.

Vernunft: Über Undankbarkeit zu klagen ist überflüssig, denn sie wird eigentlich überall verurteilt. Deshalb mußt du dich nicht abmühen, die Menschen von dem zu überzeugen, was in ihnen tief verwurzelt ist. Es gibt wohl jene, welche die Tugend für das höchste Gut halten, und manche auch für das einzig Gute. Andere glauben beides nicht, sondern bevorzugen das Vergnügen, den Feind der Tugend. Manche nennen die Keuschheit die schönste Zierde des Lebens, andere lehnen sie für sich selbst ab und finden sie bei anderen lächerlich, viel zu hart oder schrecklich langweilig. Der heranwachsende Augustinus empfand es so, als er feststellte, daß ihm das Zölibat des Ambrosius schmerzhaft erschien, während andere es nicht nur als schmerzhaft, sondern als einen völlig elenden Zustand empfanden. Hierher gehört auch das Beispiel Platos, von dem wir lesen, daß er sich nach einem langen keuschen und zölibatären Leben endlich der Natur hingab, um sie zu besänftigen, die er nach seiner Meinung durch diese Lebensweise herausgefordert und ernsthaft gekränkt hatte. Es ist erstaunlich, daß ein weiser Mann so gedacht haben sollte, aber es besteht kein Zweifel, daß er es getan hat. Es gibt aber auch diejenigen, die glauben, daß jene Standhaftigkeit die herausragendste und herrlichste aller Tugenden ist, die Wunden im Kampf mit tapferem Wagemut zu erleiden, das Schlachtfeld mit Blut zu beflecken und dem Tod mit einem heroischen Geist entgegenzutreten. Andere halten all diese Dinge für puren Wahnsinn und denken an nichts Besseres als sichere und friedliche Freizeit. Dann kommen diejenigen, welche die Gerechtigkeit für die Gouvernante der menschlichen Angelegenheiten und die Mutter aller Tugend halten, und auch diejenigen, die glauben, daß Religion der Weg zum ewigen Leben und die Leiter zum Himmel ist. Im Gegensatz dazu stehen diejenigen, die Gerechtigkeit als Feigheit und Religion als Wahnsinn und Aberglauben betrachten. Das sind jene, über die geschrieben steht: „Wer glaubt, daß die Welt den Mutigen und Tapferen gehört, kann alles tun.“ Und wie viele Gegner die Gerechtigkeit nicht nur unter den Gewalttätigen und Habgierigen hat, sondern auch unter den Gelehrten, läßt sich leicht in Ciceros „De re publica(„Über das Gemeinwesen“) nachlesen. Dann gibt es auch diejenigen, die das Halten von Versprechen sehr loben, während andere meinen, daß es nicht ehrlos ist, sein Wort zu brechen, sondern ein Zeichen von überlegenem Wissen und Intelligenz, eine Meinung die heute von der Mehrheit der Menschen geteilt wird. Lactantius schreibt es speziell Merkur zu und erklärt, daß dieser sagte: „Täuschen ist kein Betrug, sondern List.“ So viel zu diesem würdigen Gott der Intelligenz und Beredsamkeit! Kurz gesagt, keine Tugend ist so lobenswert, daß sie nicht ihre Kritiker findet. Aber was die Dankbarkeit betrifft, so gibt es kein Volk, das so barbarisch ist, und keine Mentalität, die so verkommen wäre, daß diese nicht gelobt und die Undankbarkeit verurteilt wird. Wer ein Dieb, Mörder, Verräter oder Undankbarer wurde, wird vielleicht selber seine Tat bestreiten, aber bei anderen dieses Laster nicht entschuldigen. Trotzdem gibt es unzählige Undankbare, und kaum ein anderes Laster wird von so vielen so oft in Worten verurteilt, wie es in Taten angenommen und praktiziert wird!

Was kann ich abschließend sagen? Undankbarkeit sollte nicht nur in deinen Worten, sondern auch in deinem Verstand und deinem Urteil vollständig abgelehnt werden, als etwas, das von jedem guten Menschen gemieden und verabscheut werden sollte, soweit es ihn selbst betrifft. Aber es sollte bei anderen toleriert werden, wie auch viele andere Fehler, mit denen die Menschheit belastet ist, an denen die Bösartigen im Überfluß leiden und welche die guten Menschen schwer auf die Probe stellen. Daher solltest du eine undankbare Person ertragen und erleiden, aber selbst keine sein.

Schmerz: Mir begegnet aber so viel Undankbarkeit.

Vernunft: Paß gut auf, daß die Schuld nicht bei dir liegt! Denn viele, die „Wohltäter“ genannt werden wollen, sind in Wirklichkeit Prahler und verachten andere, eine lästige Art von Menschen, deren Wohltaten mehr Anlaß zum Anstoß als zur Dankbarkeit geben. So daß es in Wirklichkeit nur darauf hinausläuft, sich Haß zu erkaufen, also das Geschäft eines Verrückten.

Schmerz: Obwohl ich Gutes verdiene, muß ich viele böswillige und undankbare Menschen erleiden.

Vernunft: Vielleicht beneidest du sie, und willst lieber an ihrer Stelle sein? Paß gut auf, und laß deine Tugend nicht schwinden, was auch immer ihr Laster sein mag.

Schmerz: Ich begegne aber so vielen Undankbaren.

Vernunft: Was erwartest du von mir zu hören? Daß du wegen der Schuld eines anderen aufhören solltest, Gutes zu tun und dir selbst Schaden zuzufügen? Warum tust du nicht das Gegenteil und sorgst trotz der vielen Undankbaren dafür, daß du mehr gibst, damit es vielen zugute kommt. Es gab schon immer viele Undankbare, aber heute gibt es noch mehr, und ich fürchte, es wird bald geradezu verrückt erscheinen, dankbar zu sein. So kehrt sich alles Tag für Tag zunehmend um und geht rückwärts. Das bewirkt der Mangel an Ehrlichkeit derer, die darum bitten, und die Nachlässigkeit und Verachtung derer, die etwas schulden. Trotzdem darf man nicht aufhören. Weil andere blind sind, sticht man sich doch nicht die Augen aus: Im Gegenteil, man schätzt sie um so mehr!

Schmerz: Ich begegne wirklich vielen Undankbaren.

Vernunft: Dann frage dich auch, ob du vielen gegenüber undankbar gewesen warst? Denn eine Undankbarkeit bestraft die andere, wie auch eine Sünde die Strafe für eine andere ist.

Schmerz: Ich habe nur vielen Undankbaren geholfen.

Vernunft: Es ist besser, vielen undankbaren Menschen zu helfen, als einen dankbaren zu enttäuschen. Laß daher nicht zu, daß der Haß auf die Bösartigen deine guten Gewohnheiten stoppt, und hör nicht auf, anderen zu nützen, nur weil es einige von ihnen nicht zu schätzen wissen. Vielleicht werden sie es zu schätzen lernen, und wenn nicht, genügt es dir, daß es dein Gott weiß und du selbst. Wenn es wahre Tugend ist, wird sie von deinem guten Gewissen ausreichend belohnt.

Schmerz: In vielen Fällen hatte meine Wohltätigkeit unglückliche Folgen.

Vernunft: Hüte dich davor, daß dein Urteil einen anderen verletzt oder, was noch schlimmer ist, dich selbst verletzt! Versuche dennoch, anderen zu nützen! Vielleicht führt es zu glücklicheren Ergebnissen, und einige, die lange Zeit undankbar waren, werden schließlich aus Verlegenheit veranlaßt, ein großes Maß an Dankbarkeit zu zeigen, und deine verlorenen Hoffnungen könnten sich noch erfüllen und dir hohe Zinsen einbringen. Auch kommt es oft vor, daß ein Mensch, der keine Schulden bei dir hat, dir spontan anbietet, was dir ein Schuldner trotz deiner Mahnung verweigert. Keine gute Tat war jemals umsonst! Wer Gutes tut, der handelt vor allem für sich selbst. Jede Tugend nützt zwar vielen, aber der erste und wichtigste Teil der Tugend spiegelt sich im Handelnden wider. Daher sollte ein guter Mensch, selbst wenn alle bösartig und undankbar erscheinen, nicht aufhören, anderen zu nützen. Denn er gewinnt, wenn er vielen gibt, und nützt sich selbst, wenn er selbst nicht undankbar ist.

Schmerz: Ich habe viel an Undankbare verschwendet.

Vernunft: Menschen zu beschenken, die Dankbarkeit zeigen, davor scheut sich nicht einmal ein Geizhals. Doch wahre Großzügigkeit ist um so großzügiger, je geringer die Hoffnung auf Gegenleistung ist.

Petrarcameister - Von Undankbaren

Das historische Beispiel der Undankbarkeit, wie Kaiser Nero seinen Lehrer Seneca töten läßt, ist sicher von Sebastian Brant angegeben worden. Petrarca bringt es an dieser Stelle nicht im Text. Brant griff auf das Kapitel 81 des ersten Bandes zurück, wo von undankbaren Schülern die Rede war. Dort hat auch der Künstler schon einmal den Kaiser Nero mit Krone und Zepter vor Seneca dargestellt, der im Bad durch öffnen der Pulsadern getötet wird. - Eine feste Stadt deutschen Charakters bildet den Hintergrund der Zeichnung. Vor dem Tor wird, als weiteres Beispiel der Undankbarkeit, ein Magister oder Rat von einem Stadtknecht, sicher auf Veranlassung des dabeistehenden Bürgers, mit Fußtritten verjagt.

Soweit schreibt Walther Scheidig. Aus geistiger Sicht können wir hier die zwei Arten der Undankbarkeit sehen, nämlich auf der rechten Seite in sich selbst, und auf der linken gegenüber anderen. Damit ist das Bild im Prinzip auch eine Fortsetzung des vorhergehenden. Zur inneren Undankbarkeit können wir das Ichbewußtsein als König mit dem Zepter zusammen mit dem gedanklichen Verstand erkennen, die sich von der Ganzheit bedroht fühlen, so daß ihnen auch die Vernunft bzw. Weisheit feindlich erscheint. Deshalb wollen sie diese töten, obwohl sie doch alles, was sie sich „persönlich aneignen“, aus dieser ganzheitlichen Quelle des Bewußtseins empfangen und ohne das höhere Bewußtsein gar nicht existieren könnten. Das vergißt das Ego oft und damit auch die Dankbarkeit, als Voraussetzung für Weisheit und Vernunft. Dabei kann das Bewußtsein selbst wie auch die höhere Vernunft gar nicht sterben, aber man kann sie „ausbluten“, so daß sie im Wasser des Lebens untergeht, das heißt, auf niedere Bewußtseins-Ebenen fällt, wie zum Ich- oder Körperbewußtsein bis zur Unbewußtheit. So könnte man hier die verwendete Symbolik vom Tod Senecas deuten. Bezüglich der Undankbarkeit anderen gegenüber läßt sich hier erkennen, wie durch Undankbarkeit ein Wohltäter schnell vom Weg der Tugend abgebracht werden kann, welcher aus der gemauerten Körperstadt herausführt. Auf diese Weise wird auch die Wohltätigkeit zusammen mit der Vernunft aus der Menschen-Stadt geschmissen, geht zurück in die Natur und droht ebenfalls im Wasser des Lebens zu versinken, wie auch die ganze Stadt im Hintergrund.

2.29. Von bösartigen Dienern

Schmerz: Ich werde von bösartigen Dienern belagert.

Vernunft: Jetzt sagst du richtigerweise „belagert“, denn vor einiger Zeit hast du dir vorgestellt, von ihnen liebevoll umsorgt zu werden. Aber in Wirklichkeit wurdest du nicht nur von einer Armee aus Helfern in deinem Haus belagert, sondern auch von einer Armee aus Feinden.

Schmerz: Ja, widerspenstige Diener bedrücken mich.

Vernunft: Das heißt, deine eigenen Truppen kämpfen gegen dich, was eine unangenehme Angelegenheit ist.

Schmerz: Wirklich unverschämte Diener belagern mich.

Vernunft: Dennoch bist du verpflichtet, diejenigen zu ernähren, die dich belagern, was eine leidvolle Notwendigkeit ist.

Schmerz: Ich werde von der schlimmsten Art von Knechten belagert, unverschämt, unersättlich, stehlend und lügend.

Vernunft: Warum quälst du dich mit so vielen Beinamen? Sage einfach „Knechte“ und du hast alles gesagt.

Schmerz: Meine Diener belagern mich. Was würdest du raten?

Vernunft: Was soll ich dir raten? Worauf könnte ich mich beziehen, wenn nicht auf diesen Vers von Terenz: „Wenn etwas ohne Sinn und Maß ist, kann kein Ratschlag zum Sinn führen.“ Dagegen ist auch der Rat von Seneca in dieser Angelegenheit bekannt. Er bittet dich, mit deinen Dienern in freundschaftlicher Beziehung zu leben, freundlich und sanft, wie mit Familiengefährten. Aber mit was für Dienern? Auch mit denen, für die jede Art von Vertrautheit eine Einladung zur Unverschämtheit ist? Er fügt hinzu, daß du Worte und nicht die Peitsche verwenden sollst, um diejenigen zu bestrafen, die taub und träge sind und rücksichtslos über die Gutmütigkeit ihres Herrn hinweggehen. Außerdem solltest du sie mit dir reden lassen, mit dir planen und mit dir essen. Und mit welchen? Auch mit den respektlosen, dummen, trunkenen, tückischen und übermütigen Schurken, die sich nicht ausdrücken können, keinen Rat haben und deinen Tisch beschämen, die das Wohlergehen, Leben und Eigentum sowie den Ruf ihres Herrn verachten, aber fleißig ihren eigenen Hunger und ihr Vergnügen verfolgen? Seneca riet wahrscheinlich dazu, weil er glaubte, für einen Diener solle auch gelten, was er früher in seinem Buch über einen Freund gesagt hatte: „Betrachte ihn als treu, und du wirst ihn treu machen.“ Ich nehme also an, daß du nicht glaubst, daß alle deine Freunde notwendigerweise aus der allerbesten Klasse von Menschen stammen und deine Diener alle aus der allerschlechtesten. Doch selbst, wenn du einen Wolf tausend Jahre lang für ein Lamm hältst, wirst du ihn trotzdem nicht in ein Lamm verwandeln!

Schmerz: Welche weiteren Ratschläge kannst du gegen diese Belagerung geben?

Vernunft: Suche niemals außerhalb, was in dir ist! Du kannst nicht belagert werden, wenn du nicht belagert werden willst. Sie würden dich auch jetzt nicht belagern, wenn nicht, wie in einer schlecht regierten Stadt, ein Teil deines Verstandes die Belagerer begünstigen würde, wie eine Gruppe rebellischer Bürger. Willst du von dieser Krankheit befreit werden? Dann kläre (und reinige) deinen Geisteszustand! Du kannst deine Diener nicht züchtigen, weder nach Senecas Rat noch nach dem Rat anderer. Aber dich selbst zu sammeln und zu versöhnen, das kann dir niemand verbieten. Hör auf, dich aufzuspielen, und gib deinen überheblichen Stolz auf, damit du diesem feindlichen Heer deiner Diener entkommst oder es zumindest schwächst.

Schmerz: Ich werde aber von vielen Dienern belagert.

Vernunft: Das ist in Ordnung, solange Lärm und eitle Prahlerei erwünscht sind. Aber wenn du Gehorsam oder Freundlichkeit wünschst, gibt es nichts Schlimmeres. Selbst wenn deine Diener alle gut sind - was ich zu den Wundern zähle - dienen sie nicht gut, wenn es zu viele sind, denn sie zanken, schwatzen und streiten untereinander. Einer schaut dem anderen auf die Hand, während er selbst untätig ist. Und mit demütig gefalteten Händen hält er es für seine größte Leistung, das Wesen seines Herrn nachzuahmen, und hält nichts für ehrenhafter, als alles zu versprechen, aber nichts zu tun. Das sind diejenigen, von denen wir eigentlich sprechen, die sich von sich aus anbieten, demütige Diener zu sein, aber auf schlechte Weise, mit falschen Beteuerungen und nur um ihre müßigen Bäuche besorgt. Eine zahllose und gemeine Menge, die aus allen verfügbaren Berufen das Niedrigste ausgewählt hat, nämlich von jemand anderem zu leben und nichts zu verdienen als die Bezeichnung „Lohnknecht“, oft Menschen, die durch Unglück oder Schicksal gegen ihren eigenen Wunsch in die Knechtschaft geworfen wurden. Je kleiner ihre Anzahl, desto höher ist die Chance, daß deine Diener Tugend haben und Vertrauen verdienen. Natürlich ist es auch etwas anderes, freiwillig zu dienen, als dazu gezwungen zu werden. Diener, die wissen, daß es ihr Glück ist, sich allen Situationen anzupassen, büßen ihre Wahrhaftigkeit und Freiheit nicht ein, wenn sie manchmal treu tun, was sie selbst nicht tun wollen, was aber den Knechten unmöglich ist, die durch Schlaf, Völlerei, Müßiggang und Habgier in die Knechtschaft geführt wurden. Wenn sie solchen bösen Führern folgen, ist es kein Wunder, daß sie unter falschen Vorwänden den niederen Beruf der Knechtschaft suchen. Umgekehrt haben diejenigen, die keine solchen lasterhaften Führer hatten, aber aufgrund der Umstände und ihres Vermögens Diener wurden, oft so gehandelt, als wären sie Freie. Und falls Seneca solche Diener im Sinn hatte, könnte ich seinen Worten zustimmen.

Schmerz: Viele Diener belagern mein Haus.

Vernunft: Dann wird es Streit, Krieg und viele Schlachten geben, und jeden Tag werden dir neue Vergehen berichtet, die bestraft werden müssen, und du mußt mittendrin sitzen, ein Herr, der zum Richter wurde. Du kannst diese Streitigkeiten nicht aus deinem Haus verbannen, aber du kannst die Anstifter verbannen.

Schmerz: Ich kann aber nicht ohne sie leben. Was soll ich tun?

Vernunft: Wenn du so weit gekommen bist, daß du es nicht mehr wagen kannst, ohne deine Feinde zu leben, dann beschütze dich, indem du nur wenige Diener der gewöhnlichsten Art behältst. Entlasse die Gutaussehenden, die Raffinierten und Schlauen, entlasse jene, die stolz auf ihr schönes Gesicht, ihre Klugheit oder Rasse sind. Unter wenigen Dienern, auch wenn sie dumm und unhöflich (bzw. einfältig) sind, lebst du sicherer, nicht weil sie besser wären, sondern weil sie sich weniger getrauen, wie Schlangen im Winter träge sind und ihr Gift zurückhalten. Zusammengefaßt: Das Wichtigste, was man von einem Diener erwarten kann, ist Vertrauenswürdigkeit. Glaube mir, wenn du das auch nur annähernd findest, wirst du es genießen, auch um den Preis einiger Fehler, denn diese Treue ist wirklich selten. Das nächstbeste Mittel ist eine geringe Anzahl und die Einfältigkeit von Dienern, wie ich gerade erwähnt habe. Das bietet zwar keinen größeren Vorteil, aber zumindest weniger Frechheit (bzw. stolze Überheblichkeit).

Petrarcameister - Von bösartigen Dienern

Die Klage des Schmerzes „Ich werde von bösartigen Dienern belagert“ beantwortet der Petrarca-Meister nicht im Sinne von Petrarcas Lehre: „Man soll mit den Knechten freundlich, glimpflich und gütig umgehen, leben und handeln... Man soll der Strafe gebrauchen, aber nicht der Schläge, sondern der Worte.“ Diesen Ratschlägen entgegen stellt der Künstler die Strafen dar, die die Rechtsprechung der Zeit den Herren ihren leibeigenen Knechten gegenüber erlaubte. Einem Gefesselten wird die Zunge herausgeschnitten, ein Nackter, der gefesselt am Gebälk hängt, wird ausgepeitscht. Rechts im Bild hat der Herr selbst zum Rutenbündel gegriffen und peitscht den entblößten Knecht aus. Nur ist dieser nicht gefesselt und wehrt sich, indem er dem Herrn ein Messer durch das Bein sticht.

Soweit schreibt Walther Scheidig. Aus geistiger Sicht können wir hier die drei Gesellen des Egos im Körperhaus wiederfinden und wie sie in der Welt handeln: Die Begierde, die nun Herr sein will, prügelt den nackten Körper, wenn er nicht macht, was sie begehrt, der natürlich mit dem Messer des Leidens antwortet. Der Zorn versucht, denen die Zunge abzuschneiden, die nicht sagen, was das Ego hören will, verhindert damit die Weisheit und bindet den Verstand „einseitig“ an die Säule der Körperlichkeit. Ähnliches versucht heutzutage auch die moderne Wissenschaft, wenn sie nichts von „Geist“ oder sogar „Gott“ hören will. Und hinter ihnen kämpft die Unwissenheit mit der Peitsche gegen die natürlichen Gegensätze, die vor dem Hintergrund der lebendigen Natur am Körperhaus „hängen“, weil sie diese nicht durchschauen und versöhnen kann. Das herumliegende Seil und die verstreuen Zweige der Rute sollen vielleicht andeuten, daß diese Mittel vergänglich sind, also nichts Verläßliches. Und dies alles geschieht im Körperhaus, wenn nicht die ganzheitliche Vernunft herrscht, sondern das eigenwillige Ichbewußtsein im Kampf gegen die äußere Natur, die eigentlich dem Geist dienen sollte, aber nun immer feindlicher erscheint.


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